Oberschlesien – die bewusst unterdrückte Vielfalt Polens
Dieser Text wurde zuerst in der Südtiroler Kulturzeitschrift Kulturelemente im Dezember 2019 veröffentlicht. Mit Einverständnis des Verlegers, darf dieser Text bei Wachtyrz.eu erscheinen, um die kulturellen Kontakte zwischen Oberschlesien und Südtirol zu fördern. Die genaue Quellenangabe ist unter dem Text zu finden.
Adam Kubik: Oberschlesien – die bewusst unterdrückte Vielfalt Polens
Im historischen Oberschlesien zwischen Oppeln-Gleiwitz und Kreuzburg-Ratibor sind die Oberschlesier deutscher Herkunft beheimatet. Mit dem kulturellen Schirmherrscher Joseph von Eichendorff, der in Lubowitz geboren und in Neisse beerdigt wurde, versucht die Gruppe, die ungefähr die Hälfte der deutschsprachigen Südtiroler ausmacht, ihre Identität zu pflegen (offiziell knapp 150.000, laut Schätzungen des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) sogar 300.000). Doch wie ist es um die deutschsprachige Kulturlandschaft Oberschlesiens von heute bestellt? Eine so gestellte Frage fällt für eine so große Gemeinschaft nicht sonderlich gut aus, wenn man sie mit Südtirol vergleicht. In äußerst knappen Vergleichsversuchen zwischen beiden Grenzgebieten wird hierbei versucht darauf genauer einzugehen.
Die politische Realität Oberschlesiens unterscheidet sich von der autonomen Stellung Südtirols gegenüber Italien sehr, denn sie obliegt der zentral gesteuerten Gesetzesvorgabe Warschaus. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass eine rechtsorientierte Partei wie die aktuell allein-regierende PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) viele bisher geltende Minderheitenrechte abschaffen kann. Hierbei ist die 2017 zwangsvollstreckte Eingemeindung der deutschgesinnten Gemeinden in die polnischgesinnte Landeshauptstadt Oppeln gemeint. Infolgedessen verloren die von der deutschen Minderheit (DMi) geleiteten Gemeinden ihr wesentliches Einkommen, aber auch das Recht auf Deutsch als Hilfssprache in Ämtern und die erst seit 2008 eingeführten deutsch-polnischen Ortsschilder. In diesem Fall wurde zwar an den europäischen Institutionen Klage eingereicht, die lediglich feststellten, es handle sich um den ersten Fall der Abschaffung von Minderheitsrechten EU-weit. Ankündigungen hierzu gab es seitens des Vorsitzenden der PiS-Partei, Jarosław Kaczyński, bereits im Jahre 2012 in Oppeln, als er offenkundig die Oberschlesier als „die fünfte Kolonne Berlins“ und als „die verkappte deutsche Option“ beleidigte, zudem die Reduktion der Minderheitenrechte der DMi verlangt hatte.
Die Umsetzungen fünf Jahre später brachten auch die Reduktion der Stundenanzahl im Deutschunterricht als Minderheitensprache und deutliche finanzielle Einschränkungen einher. Nebenbei bemerkt ist die polnische Regierung sehr darauf bedacht, das Bildungsangebot der vergleichbar großen polnischen Minderheit in Litauen zu unterstützen, die über zahlreiche Schulen und sogar eine Hochschule in polnischer Sprache in Vilnius verfügt. Die hierbei mangelnde Reaktionen seitens der deutschen Regierung und der DMi führen dazu, dass die bislang unter schwierigen finanziellen Bedingungen errichteten bilingualen Primäreinrichtungen (u.a. die erst 2008 gegründeten ersten Kindergärten und Grundschulen des Privatträgers “Verein ‘Pro Liberis Silesiae’“) zu Opfer der repressiven polnischen Politik fallen.
Das oberschlesische Bildungsangebot in deutscher Sprache wird somit im Bericht von Gerald Volkmer bei Oxford German Studies (48/1, 2019) als unterentwickelt eingestuft. Es gibt nämlich keine einzige rein-deutschsprachige Bildungseinrichtung, sondern lediglich eine Handvoll zweisprachiger Kindergärten und Grundschulen, kein deutsches Gymnasium (folglich kein deutsches Abitur wie z.B. in Rumänien) und keine deutschsprachige Hochschule, trotz 30-jährigen Bestehens der kulturell-politischen Institutionen des VdG (auch wenn der Gedanke zur Gründung einer Eichendorff Akademie naheliegend wäre).
Infolgedessen nimmt die Zahl der deutschen Muttersprachler ab und dementsprechend fällt auch die deutschsprachige kulturelle Landschaft Oberschlesiens, ohne eines einzigen deutschen Verlags für Belletristik, Publizistik und Wissenschaft, im Vergleich mit Südtirol schlecht aus. Folglich führt es dazu, dass lediglich einzelne literarisch hochwertige Werke im deutschsprachigen Raum zu Oberschlesien entstehen. Die einzige deutsche Zeitschrift „Wochenblatt.pl“ und die 11-minütige TV-Sendung „Schlesien Journal“, schildern zwar das aktuelle Geschehen, sind jedoch keine Medieneinrichtungen des literarischen Schaffens. Bedauerlicherweise bietet die Germanistik in Oppeln keine Bildung auf muttersprachlichem Niveau an, trotz dieses Zieles bei der Universitätsgründung in den 1990er Jahren, die aus der oft verschwiegenen propolnischen Gesinnung der Universitätsleitung resultiert. Lediglich das Eichendorff-Zentrum Lubowitz, das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und die Eichendorff-Bibliothek, sind bemüht ein kulturelles Angebot u.a. in deutscher Sprache zu ermöglichen.
Ähnlich wie in Südtirol das Ladinische, gibt es auch in Oberschlesien die derzeit nicht-anerkannte slawische Regionalsprache: (Ober)Schlesisch. Beide Regionalsprachen sind in ihren Gebieten seit Jahrhunderten verwurzelt und wurden auf eine ähnliche Weise von totalitären Regimen (Faschismus bzw. Kommunismus) missbraucht, um politische Zugehörigkeiten der Gebiete nachzuweisen. In Polen verharren die Regierenden bis heute darauf, dass Schlesisch weder als Sprache (nur Dialekt des Polnischen), noch als Nationalität anerkannt wird, trotz offenkundiger wissenschaftlicher Nachweise und Volkszählungen (>800.000 Menschen). Die derzeitigen Veröffentlichungen aus regionaler Sicht, werden immer häufiger im Schlesischen verfasst, dank des Verlages Silesia Progress. Dieser hat seit der politisch motivierten Schließung der Kulturzeitschrift Fabryka Silesia eine mehrsprachige Internetplattform errichtet, zwecks kulturellen Austausches: www.wachtyrz.eu (übers. „Wächter“).
Quellenangabe:
Adam Kubik: Oberschlesien – die bewusst unterdrückte Vielfalt Polens, in: Kulturelemente. Zeitschrift für aktuelle Fragen, Nr. 148 (2019), Distel Vereinigung, Bozen, S. 5. URL: https://kulturelemente.org/2019/12/15/148-polen-hat-gewaehlt/
Adam Kubik, Ing., M.A. – geb. 1986 in Groß Strehlitz, ist Doktorand im Fach Germanistik im Kulturvergleich an der Universität Heidelberg, Schlesienforscher, DaF-Lektor, Sachbuchautor, Raumplaner.
Bewusst unterdrückt, geschmiert und veräppelt. Dem Oberschlesien fehlt es schlicht an Klevernis, und wird mit der einen oder anderen Möhre an den Abgrund gelockt. Was in O/S an Deutschtum zurück blieb, dürfte blieben weil es leicht kontrollierbar war. Da sollte einer an die Spitze der DM, der die Spreu vom Weizen trennt. Hinfort mit dem verhülten Polenlager in der DM. Oberschlesien sollte eine Woiwodschaft sein, so wie die Provinz einst – das wäre deutsche Haltung, gerade nach dem Willkürlichen Anschluss deutscher Gemeinden an das polnisch gesinnte Oppeln. Was muss ich mir hingegen anschauen… Das Polenlager der DM, welches das 20jährige bestehen der oPOLSZCZYZNA abfeiert…